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Obwohl das Handwerk lange als reine Männerdomäne galt und die Geschlechterverteilung in Handwerksberufen noch immer unausgeglichen ist, werden handwerkliche Berufe für Frauen immer interessanter. Wie genau die aktuelle Berufssituation für Frauen im Handwerk aussieht und inwiefern Betriebe von Handwerkerinnen profitieren, verrät Ihnen unser Ratgeber. Erfahren Sie außerdem, welche Berufseinstiegschancen sich für Frauen in technischen Arbeitsfeldern ergeben und was Handwerksbetriebe tun können, um ihre Unternehmen für weibliche Azubis und Handwerkerinnen attraktiv zu machen.

Warum Frauen für Handwerksbetriebe wichtig sind

Handwerklich-technische Berufe, zum Beispiel in Branchen wie der Holz- und Metallfachverarbeitung oder im Maurergewerbe, gelten als typische „Männerberufe“. Obwohl diese Anschauung heute vielfach als veraltet gilt, ist der Frauenanteil in technisch ausgerichteten Handwerksberufen noch immer deutlich geringer. Diverse Statistiken über weibliche Personen im Handwerk wie die des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) oder der Handwerks-Beschäftigungsindex von Jungheinrich PROFISHOP bestätigen das.

Doch inzwischen finden immer mehr Frauen den Weg in handwerkliche Berufe – und für Betriebsinhabende gibt es gute Gründe, mehr Frauen im Betrieb zu beschäftigen und ihnen den Weg in „Männerberufe“ zu ermöglichen:

  • Betriebsklima: Umfragen zeigen, dass durch Frauen in Handwerksbetrieben oftmals die Betriebsatmosphäre positiver wahrgenommen wird. So können sie zum Beispiel häufig andere Lösungsansätze für Problemstellungen liefern als ihre männlichen Kollegen.
  • Arbeitsqualität: Frauen arbeiten nach Ansicht vieler Betriebsinhabenden genauer und sauberer als ihre männlichen Mitarbeiter. Die Arbeitsqualität hängt nicht vom Geschlecht ab, sondern von den Fähigkeiten und der Motivation des Einzelnen.
  • Positives Image: Nicht zuletzt sind Handwerksbetriebe mit einem hohen Anteil an Handwerkerinnen auch ein positives Signal für die Kundschaft: In Studien bewerten Kundinnen und Kunden Handwerksbetriebe mit weiblichen Fachkräften als modern und fortschrittlich. Auch das ist für Unternehmen ein Signal dafür, proaktiv etwas für mehr weibliche Azubis im Handwerk zu tun und Frauen für handwerkliche Berufe zu begeistern.

Wo und wie Sie für Ihren Betrieb passende Auszubildende suchen können, lesen Sie in unserem Ratgeber.

Welche Vorteile haben Frauen, die im Handwerk arbeiten?

Nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels und vieler unbesetzter Lehrstellen sind gerade im Handwerk und in technischen Branchen die Einstiegschancen für Frauen sehr gut. Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Frauen über die Arbeit in einem Handwerksberuf nachdenken sollten:

  • Job mit Zukunft: Der Handwerksbranche in Deutschland geht es blendend. Das hat für fast alle Gewerke volle Auftragsbücher und für Handwerker und Handwerkerinnen einen sicheren Arbeitsplatz zur Folge.
  • Abwechslungsreicher Arbeitsalltag: Tätigkeiten im Handwerk umfassen entgegen gängiger Klischees mehr als nur eintönige Handarbeit. Die Arbeit mit Kundschaft und Auftraggebenden, Produktionsplanung oder auch der Umgang mit herausfordernden Projekten sorgen für Abwechslung bei der täglichen Arbeit.
  • Gute Karrierechancen: Auch in der Handwerksbranche haben Arbeitnehmerinnen viele Möglichkeiten aufzusteigen und Karriere zu machen. Durch Fortbildungen zur Meisterin oder Technikerin können Frauen zu gefragten Spezialistinnen in ihrem Gewerk werden – auch wenn sie als Managerin tätig sein oder sich im Handwerk selbstständig machen möchten.
  • In einem familienfreundlichen Beruf arbeiten: Vor allem kleine Handwerksbetriebe sind häufig von einer familiären Arbeitsatmosphäre geprägt, bei der die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden im Vordergrund stehen. Handwerkerinnen mit Familie können in solch einem Arbeitsumfeld die beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnisse besser miteinander vereinbaren.
  • Bundesweit arbeiten: Während manche Berufsgruppen oder Branchen nur in einer bestimmten Region vertreten sind, finden Frauen in handwerklichen Berufen bundesweit attraktive Jobangebote. Dass man für die Arbeit nicht umziehen muss, sondern auch vor der eigenen Haustür den Traumjob findet, ist für viele ein entscheidender Vorteil.

Männer und Frauen in handwerklichen Berufen – wer arbeitet in welchen Gewerken?

Laut der genannten Studienergebnisse machen weibliche Handwerksgesellinnen, technische Facharbeiterinnen oder Meisterinnen nur knapp ein Fünftel aller im Handwerk Arbeitenden aus. In kreativen Handwerksberufen überwiegt der Frauenanteil:

  • 99,2 % in der Kosmetikbranche
  • 84 % in der Maßschneiderei
  • 80,2 % im Konditoreihandwerk
  • 76,6 % in der Gold- und Silberschmiede
  • 74,7 % bei Frisierenden

Ähnlich sieht es bei der operativen Belegschaft in Handwerksbetrieben aus: Hier werden fast 70 % aller Jobs von Frauen ausgeführt, wie etwa in der Buchhaltung, der Bürowirtschaft oder im Controlling. In diesen Jobs sind es laut der Studien vor allem auch die guten Verdienstmöglichkeiten und die Weiterbildungsoptionen, die diese Jobs für Frauen attraktiv machen. Ein positiver Trend zeigt sich jedoch auch bei der Unternehmensführung und -gründung im Handwerk: Bereits heute werden schon 20 % der Handwerksbetriebe durch Frauen geleitet.

Demgegenüber stehen die handwerklich-technischen Berufe. Bei Mauerei- und Betonarbeiten beträgt der Frauenanteil gerade einmal 1,1 %, in der Informationstechnik 1,9 % und im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik 2,1 %. Mögliche Gründe für den geringen Frauenanteil in technischen Handwerksberufen ist die Angst davor, von der Kollegschaft nicht anerkannt zu werden oder körperlich schwere Arbeit nicht bewältigen zu können.

In unserem Beschäftigungsindex für handwerklich-technische Berufe in der DACH-Region finden Sie Daten der letzten Jahre über Frauen in handwerklichen Berufen: zum prozentualen Anteil, zur Ausbildungssituation und zu den Verdienstmöglichkeiten in verschiedenen Tätigkeitsbereichen.

Trendwende bei der Ausbildung – der Weg zu handwerklichen Berufen für Frauen

Waren bisher eher als „kreative Handwerksberufe für Frauen“ betrachtete Jobs wie Schneiderin, Goldschmiedin oder Augenoptikerin bei Frauen gefragt, sind mittlerweile auch immer mehr typische „Männerberufe“ beliebt: Unternehmen wie Dachdeckereien, Malerei- oder Zimmereibetriebe ziehen zunehmend weibliche Azubis an. Das hat dazu geführt, dass in den letzten 15 Jahren mehr Stellen für Ausbildungen im Handwerk durch Frauen besetzt werden konnten.

Die Tabelle zeigt die Beliebtheit verschiedener Lehrstellen bei männlichen und weiblichen Azubis:

Ausbildungsberufeweibliche Azubis*männliche Azubis*
Friseur/in14.8585.036
Büromanager/in7.1162.525
Zahntechniker/in3.0092.356
Tischler/in2.35515.660
Kfz-Mechatroniker/in2.35061.537
Malerei und Lackiererei2.17012.087
Konditor/in3.226787
*gemäß ZDH-Studie von 2019

Obwohl auch hier die Aufteilung nach „Frauenberufen“ (z. B. Friseurin) und „Männerberufen“ (z. B. Kfz-Mechatroniker) noch deutlich zu erkennen ist, gibt es für andere Tätigkeiten im Handwerk bereits eine Trendwende. Die Zahlen der ZDH von 2019 zeigen deutlich, dass sich sogar regelrechte Favoriten unter den Handwerksberufen etablieren konnten: So nahm der Anteil weiblicher Auszubildender zum Beispiel in Konditoreibetrieben um 20 %, in der orthopädischen Schuhherstellung bzw. -technik um 15 % und in der Raumausstattung um 10 % zu.

Die Bemühungen von Betrieben und Ausbildungsstätten, handwerkliche Berufe für Frauen noch attraktiver zu machen, können hier in Zukunft für noch mehr Durchmischung im Handwerk sorgen. Mit unseren Tipps können Sie diesen Prozess als arbeitgebendes Unternehmen aktiv vorantreiben.

Tipps, um den Frauenanteil in Ihrem Handwerksunternehmen zu erhöhen

So gestalten Sie Ihren Handwerksbetrieb attraktiver für weibliche Bewerberinnen:

  1. Progressive Unternehmenskultur

    Spott von männlichen Kollegen oder Kundschaft, die Handwerkerinnen nichts zutraut: Wenn weibliche Mitarbeiterinnen in einem Handwerksbetrieb befürchten müssen, dass ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse als minderwertiger betrachtet werden als die ihrer männlichen Kollegen, macht das handwerkliche Berufe für Frauen nicht sehr attraktiv. Fördern Sie deshalb stets ein faires Arbeitsklima und gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran:
    • Weibliche Mitarbeitende sollten weder benachteiligt noch bevorzugt, sondern genauso wie die männliche Kollegschaft behandelt werden.
    • Etablieren Sie Werte für ein respektvolles Miteinander.
    • Machen Sie auch gegenüber Ihrer Kundschaft deutlich, dass Sie unabhängig vom Geschlecht ausschließlich kompetente Mitarbeitende beschäftigen.

  2. Angepasste Stellenausschreibung

    Studien verschiedener Personalvermittlungsagenturen zeigen, dass Frauen Stellenausschreibungen anders lesen als Männer: Männliche Arbeitssuchende legen den Fokus vor allem darauf, was ihnen Arbeitgebende bieten können – Frauen schauen eher, welche Qualifikationen erwartet werden. Sie fragen sich dementsprechend häufiger, ob sie diese auch erfüllen können. Was können Sie tun, um Bewerberinnen nicht von vornherein abzuschrecken?
    • Stellenausschreibungen nicht mit kleinteiligen Leistungsanforderungen überfrachten
    • sich auf das Wesentliche beschränken
    • die Unternehmenswerte und faire Unternehmenskultur in den Vordergrund stellen

  3. Moderne Technik zur Unterstützung bei körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten

    In vielen Handwerksjobs ist neben Fingerfertigkeit und technischem Verständnis auch Muskelkraft gefragt. Setzen Sie hier auf automatisierte und digitalisierte Technik: Mit modernen Arbeitsmitteln wie etwa Elektro-Hubwagen oder Hebezeugen unterstützen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und tragen außerdem zum Arbeitsschutz bei. Ein positiver Nebeneffekt: Von der modernen und effektiven Arbeitsplatzausstattung profitieren alle Mitarbeitenden im Betrieb.

  4. Gleichberechtigte Löhne

    Laut einer Erhebung des statistischen Bundesamtes von 2019 zum Gender Pay Gap verdienen Frauen durchschnittlich immer noch 19 % weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Das betrifft auch viele handwerkliche Jobs. Um Ihr Handwerksunternehmen für weibliche Mitarbeitende attraktiver zu machen, sollten Sie auf Gleichberechtigung bei der Entlohnung setzen: Machen Sie die Lohnstruktur für alle Mitarbeitenden transparent und vergeben Sie Sonderzahlungen und Boni ausschließlich nach Leistung.

  5. Den Einstieg so einfach wie möglich machen

    Bieten Sie Praktika, Betriebsführungen oder Probearbeitstage an, um einen ersten Kontakt herzustellen und die Hemmschwelle für weibliche Azubis herabzusetzen. So erhalten Frauen nicht nur ein besseres Bild von Ihrem Betrieb und den Aufgaben des Berufs: Schnupperangebote nehmen auch die Angst und Vorurteile vor technischen bzw. traditionell männlich besetzten Positionen – und können bei der Wahl einer Ausbildung im Handwerk die noch nötige Überzeugungsarbeit leisten.

Förderinitiativen für mehr Frauen in handwerklichen Berufen

Das Entwicklungspotenzial und die Karrierechancen sind für Frauen in Handwerksberufen ausgezeichnet. Jedoch benötigt es oftmals Anreize, damit Frauen vor vermeintlichen „Männerberufen“ die Scheu genommen und der Einstieg erleichtert wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich Handwerksfirmen mit einem gendersensiblen Image – jenseits veralteter Stereotypen – präsentieren.

Dazu unterstützen neben dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch diverse Institutionen und Verbände weibliche Nachwuchskräfte bei der Berufswahl, wie zum Beispiel der ZDH oder das Institut für Betriebsführung. Sie wollen bei Mädchen und jungen Frauen bereits während der Schulzeit das Interesse für handwerklich-technische Berufe wecken, indem beispielsweise ein besonderer Fokus auf die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) gelegt wird. Durch die Initiativen erhalten auch Eltern, Lehrkräfte und erzieherisch Tätige Materialien und Hilfestellungen an die Hand.

Beispiele bekannter Initiativen zur Förderung von Mädchen und Frauen in Gewerken:

  • Girls Day: Mädchenzukunftstag (ab Klassenstufe 5) zur technischen Berufsorientierung in ganz Deutschland
  • Klischee frei: Initiative zur Berufs- und Studienwahl abseits von Geschlechterklischees
  • Komm, mach MINT: bundesweite Netzwerk-Initiative für MINT-Studiengänge und -Berufe
  • #frauenkönnenhandwerk: bundesweite Print- und Online-Kampagne über erfolgreiche Handwerkerinnen

FAQ über handwerkliche Berufe für Frauen

Wie viele Frauen arbeiten im Handwerk bzw. wie groß ist ihr Anteil?

Laut statistischen Angaben der ZDH beträgt der Frauenanteil in handwerklichen Arbeitsstellen insgesamt 36 %. Werden die Gewerke nach Gewerbegruppen aufgeteilt, so findet sich der höchste Anteil weiblicher Fachkräfte bei personenbezogenen Dienstleistungen mit 81 %. Im Anschluss folgen Lebensmittel- und Gesundheitsbereiche mit 66 % und 60 %. Im Baugewerbe sind es hingegen nur 10 %. Schaut man direkt in die Handwerksbetriebe, zeigt sich, dass rund 70 % der Frauen als kaufmännische Fachkräfte tätig sind. Als Gesellinnen oder Meisterinnen arbeiten hingegen jeweils nur knapp 20 %.

Sind handwerkliche Berufe für Frauen körperlich anstrengend?

Grundlegend kann diese Frage mit nein beantwortet werden. Es gibt viele technische Hilfsmittel, die körperlich schwere Tätigkeiten unterstützen und so den Körper entlasten. Außerdem tragen automatisierte und digitalisierte Arbeitsabläufe dazu bei, dass physiologische Unterschiede ausgeglichen werden können. Auch wenn für bestimmte Handwerksberufe eine gewisse körperliche Fitness notwendig ist, spielt es prinzipiell keine Rolle, ob das Gewerk von einer Frau oder einem Mann ausgeübt wird.

Welche Kampagnen oder Initiativen fördern Frauen in Handwerksberufen?

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unterschiedliche Initiativen ins Leben gerufen, um Frauen in handwerklich-technischen Berufszweigen zu fördern. Dazu unterstützen in Deutschland diverse Institutionen und Verbände weibliche Nachwuchskräfte bei der Ausbildung und Berufswahl. Am bekanntesten ist die Initiative „Girls Day“ der Bundesregierung und ZDH. Mädchen ab der fünften Klasse und junge Frauen werden so bereits während der Schulzeit angesprochen und das Interesse für handwerklich-technische Arbeiten geweckt.
 
Zudem setzt sich die bundesweite Initiative „Komm, mach MINT“ für mehr Frauen in MINT-Studiengängen und -Jobs ein. „Klischee frei“ ist eine weitere Kampagne zur Studien- und Berufswahl, die veraltete Rollenbilder im Handwerk in Frage stellt. Darüber hinaus werden erfolgreiche Handwerkerinnen und Fachexpertinnen in der bundesweiten Kampagne „#frauenkönnenhandwerk“ beispielhaft vorgestellt.

Bildquellen:
© gettyimages.de
 – South_agency